Sie ist kaum politischer, sondern viel eher persönlicher Natur: die Abstimmung vom 15. Mai über die erweiterte Widerspruchslösung bei der Organspende. Eine Haltung zur Vorlage bildet sich in den meisten Fällen unabhängig von der politischen Orientierung, persönliche Betroffenheit spielt dagegen eine grosse Rolle. Die Fronten verlaufen für einmal nicht entlang der Parteigrenzen.
Das zeigt sich nirgendwo besser als am Beispiel des Bundesrats. Zwar vertritt die Regierung im Abstimmungskampf den Willen des Parlaments – in diesem Fall also die Annahme der Vorlage. Doch wie Recherchen zeigen, sind sich die Bundesrätinnen und Bundesräte auf persönlicher Ebene alles andere als einig. Selbst innerhalb der Parteien tun sich in dieser Frage Gräben auf.
Einer, der sich nicht nur Kraft seines Amtes für die Gesetzesänderung einsetzt, ist SP-Bundesrat Alain Berset. Es war vor rund drei Jahren seine Idee, dem Parlament anstelle der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag vorzulegen.
Er hat sich bereits in der Vergangenheit für die Widerspruchslösung eingesetzt und vertritt seine Haltung aktuell als Gesundheitsminister in der Öffentlichkeit, wenn er für die Einführung der erweiterten Widerspruchslösung wirbt.
Mit grosser Wahrscheinlichkeit hat im Bundesrat auch Mitte-Vertreterin Viola Amherd die Gesetzesänderung mitgetragen. Die Verteidigungsministerin reichte bereits 2008 – damals noch als Nationalrätin der CVP – ein entsprechendes Postulat ein.
Dieses beauftragte den Bundesrat, einen Bericht zu den gesetzlichen Modellen der Organspende und im Speziellen zum Widerspruchsmodell zu erstellen. Auch bei der Debatte zur Teilrevision des Transplantationsgesetzes im Jahr 2013 hat Amherd einen Minderheitsantrag unterstützt, mit welchem die Einführung der Widerspruchslösung gefordert wurde. Dieser blieb damals chancenlos.
Auch SVP-Bundesrat Guy Parmelin dürfte die Vorlage im Bundesrat wohl angenommen haben. Er hat 2010 ein Postulat des damaligen FDP-Nationalrats Laurent Favre mitunterzeichnet, mit dem der Bundesrat angehalten wurde, den Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung zu evaluieren.
Zwei Jahre später unterstützte er eine Motion, die den Wechsel zur Widerspruchslösung forderte, allerdings keine Mehrheit fand.
Aussenminister und Bundespräsident Ignazio Cassis steht der erweiterten Widerspruchslösung grundsätzlich positiv gegenüber. Der ausgebildete Arzt setzte sich bereits 2015 als Nationalrat für die Widerspruchslösung ein. Seine Meinung dürfte er kaum geändert haben.
Bersets Parteikollegin Simonetta Sommaruga hingegen lehnt die erweiterte Widerspruchslösung ab, wie zuverlässige Quellen vernehmen lassen.
Diese Haltung bestätigt auch ein Blick zurück: Als Ständerätin setzte sich Sommaruga im Sommer 2004 bei der Beratung des Transplantationsgesetzes dafür ein, dass sich der «Gesetzgeber zurückhält». Es sei «nicht Sache des Staates, darüber zu urteilen, wie der Entscheid des Einzelnen ausfallen soll».
Auch Karin Keller-Sutter äusserte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach kritisch gegenüber der Widerspruchslösung.
Die FDP-Bundesrätin hat zu ihrer Zeit als Ständerätin in der Wintersession 2013 ethische Bedenken angebracht: «Von einer stillschweigenden Zustimmung auszugehen, ist für mich in einer ethisch derart heiklen Frage schwierig», so Keller-Sutter in der Debatte zur Teilrevision des Transplantationsgesetzes.
Auch scheine ihr die Widerspruchslösung vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsrechte problematisch zu sein.
Bleibt noch Ueli Maurer. Zu seiner Haltung sind lediglich Vermutungen möglich. Bisher hat sich der Zürcher nirgends öffentlich zum Thema geäussert.
Der SVP-Politiker und Finanzminister dürfte die Vorlage allerdings abgelehnt haben. Von Seiten seines Departements wird das weder bestätigt noch negiert: Die Beratungen des Bundesrates seien vertraulich, deshalb könne man dazu keine Aussagen machen. (aargauerzeitung.ch)
Ich hätte persönlich eine "Äusserungslösung" befürwortet. Alle volljährigen Bürger*innen MÜSSTEN sich äussern (von mir aus mit Busse, wenn das nicht passiert), was sie wollen. So würde keine Grundannahme getroffen und trotzdem der Wille aller Bürger*innen registriert.